Günter Kowa: Ute Pleuger hört an der „Burg“ in Halle auf
Ein Umbruch steht bevor an der „Burg“. 20 Professoren scheiden in den kommenden fünf Jahren an der halleschen Kunst- und Designhochschule aus. Weit mehr als fachinterne Aufmerksamkeit ist dem Wechsel gewiß, der der Malklasse bevorsteht. Nach 18 Jahren Lehrtätigkeit gibt Ute Pleuger Pinsel und Palette an einen noch zu bestimmenden Nachfolger weiter. Im „Volkspark“ und in der Galerie der Landes-Kulturstiftung sind einigen ihrer annähernd 90 Absolventen nebst Kostproben aus dem Kreis ihrer aktuellen Schüler ausgestellt. 18 Jahre: eine Ära?
Es war durchaus ein Bruch, der sich mit ihrer Berufung anzukündigen schien. Die Malerei an der Hochschule war von ehemals vier festen Lehrkräften auf eine gekürzt worden, abgesehen von befristeten Gastprofessuren und Assistenten, von denen zwei zusammen mit Ute Pleuger im Eingangsraum vom „Volkspark“ den Überblick eröffnen. Die Professorin von der zierlichen Gestalt, silbrigen Kurzhaarfrisur und sanften Stimme schien aber auch eine Tradition klassischer Malerei zu verabschieden, mit einem Werk, in dem die Serie Gesetz ist, Malerei eine Frage des Verstandes, Handschrift von Struktur gebändigt, und allenfalls unmerkliche Störungen in den endlosen Rapport dringen, der ihre Bilder prägt – selten so lebhaft bunt wie auf der ausgestellten Leinwand mit dem Titel Plein-Jeu II.
An die Gefühle appelliert Ute Pleuger eher nicht. Stimmungen, Ahnungen, Träume sind ihre Sache kaum, aber diese Seiten der Kunst fanden in ihrer Klasse dennoch zu ihrem Recht. Daß ihre Lehre geschätzt war, bewies der anhaltende Zulauf von nah und fern, nicht zuletzt aus dem fernen Osten, und auch der Erfolg einer beachtlichen Zahl ihrer Schüler.
Man spürt den Ernst, den sie in ihre Aufgabe legt, wenn man sie von ihrem Tun sprechen hört. „Es war mir eine Verpflichtung und Freude, Begabungen zu entwickeln“, sagt sie etwa, aber auch, daß sie ihre Schützlinge „mit Kriterien konfrontierte“, nämlich aus der Kunstgeschichte heraus die Positionen zu entwickeln, die für das eigene Werk wichtig sind. Nicht ohne Ausdauer, nicht ohne Kämpfe: „Es ist ein jahrelanger Prozeß, wir haben gerungen.“ Sie habe stets daran erinnert, daß die Hochschule steuerfinanziert ist und Leistung erwartet, in der Kunst freilich auf einem Gebiet, „das nicht reguliert ist.“
Lernen und Lehren in der Kunst, das war und ist ein spannungsvolles Verhältnis von Anziehung und Abstoßung. Folgt der Schüler dem Meister, geht er andere Wege? Wer sich in den beiden Ausstellungsorten umschaut, wird die Nähe und Ferne immer wieder konstatieren. Bei aller erklärten Offenheit für jegliche „Breite und Vielfalt“, so finden sich verwandte Geister in genügender Zahl, um sagen zu könne, Ute Pleuger hat auch eine Schule begründet. Das Serielle kehrt wieder, es gibt eine Suche nach dem Analytischen, fast schon Wissenschaftlichen, wenn auch in vielen Techniken und gelegentlich im Hinterfragen: Thomas Henningers ganz im Pleugerischen Sinn Pattern Repeat („Wiederholte Muster“) genannten Arbeiten lassen künstlerische Arbeit und technische Umsetzung in der Schwebe.
Aber es gibt auch die entschieden malerischen Positionen, provozierend erotisierende wie bei Robin Zöffzig, verhalten-esoterische wie bei Christian Nebel, verstörend drastische wie bei dem Vietnamesen Nguyen Xuan Huy, der sich in ungemein kraftvoller Malerei und grotesken Mutationsgestalten mit den Kriegsfolgen seines Landes auseinander gesetzt hat, und von dem eine ordensbehängte, dreimündige Gestalt in der Kulturstiftung auf Sichtachse hängt. Es gibt auch andere, sehr persönliche Äußerungen in medialen Techniken jenseits der Malerei, das geschundene Plüschtier im Stachelkäfig von Roxolana Schulz zum Beispiel.
Manche zufällig-absichtsvollen Konfrontationen erhellen die Pole der künstlerischen Positionsbestimmung in der Klasse Pleuger: Im Volkspark trifft man auf eine von Undine Bandelins von Öl- und Pinselspuren reliefartig bewegte Leinwand mit ihrem halb mythischen, halb erträumten Personal neben den seltsamen Schwämmen von Sylvain Brugier, die sich bei näherer Betrachtung als kunst- und mühevoll aufgebaute Strukturen aus ebenfalls nichts anderem als Farbe entpuppen, mit dem Pinsel strukturiert und zu eine4m Gewebe aus tropfen und Klumpen komponiert.
Wer immer auch auf Ute Pleuger folgt, er oder sie wird an der Burg die Schule der Malerei auf seine eigene Weise neu bestimmen. Die Frage nach der Nähe und Ferne wird sich seinen oder ihren Schülern wieder neu stellen. Es wird vermutlich weiterhin nur eine Professur geben, die Entscheidung kann gar nicht anders sein als die, eine Richtung anzugeben.