Prof. Ute Pleuger lehrte von 1999 bis 2016 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und leitete das Fachgebiet Malerei und die Klasse für Malerei.

Ute Pleuger, Fuge, ca. 40 qm, Acryl auf Putz, Hermes Gebäude Halle, 2001


Ute Pleuger: Über das Studium der Malerei

Was ist Malerei? Was ist ein gemaltes Bild? Eine illusionistische Fläche? Oder ein Ding? Eine Darstellung, Beschreibung, Erzählung? Oder ein System, Modell, Zeichen? Ein Abbild, Nachbild, Bearbeitung, Verfremdung? Eine Kopie, Zitat, Montage? Eine Äußerung? Eine Erfindung?

Kunst manifestiert sich im Fragen. Sie entspringt einer Haltung des Suchens. Dabei entwirft jede neue Kunstrichtung neue Hypothesen, erfindet Methoden und Regeln und schafft sich ihre eigenen spezifischen Kategorien. Aber sie gibt niemals Antworten. Denn die Fragen zielen nicht auf Antworten – die das Suchen womöglich beenden würden –, sondern sie dienen der Suche als Richtschnur.

Die Malerei formuliert diese Suche unmittelbar. Gedanken, Gefühle, Reflexion und Temperament fließen beim Malen in einem Akt zusammen, welcher Form und Inhalt in untrennbarem Bezug ins Werk setzt. Die Technik ist dabei zunächst bloß Potenz, ruhendes Vokabular, welches erst durch die Erfordernisse des Bildes zum Leben erweckt wird. Gleichermaßen erhält die Beschäftigung mit den wechselnden Diskursen der Kunstwelt für die Studierenden ihren Wert erst durch den Bezug zur eigenen Arbeit.

Deshalb soll das Studium der Malerei in erster Linie die originäre Kraft der einzelnen Studierenden entwickeln: ihre Fähigkeit zu Introspektion und Reflexion; ihre Fähigkeit, gegenüber einer vom Konformismus gekennzeichneten Gesellschaft den vorgeblich propagierten Individualismus für sich und ihre Arbeit tatsächlich in Anspruch zu nehmen; und ihre Fähigkeit, in Unabhängigkeit von den Zuweisungen und Zumutungen des Kunstbetriebs ihre eigenen Mittel und Formen zu (er)finden und zu entwickeln.

So ist das Studium vor allem ein Prozess der Klärung. Klarheit wird es allerdings nicht geben. Denn die Kunst ist nie etwas Klares, sondern etwas wesensgemäß Unklares. Gewissermaßen die Formung des Ungewissen durch dessen methodisches Hervorbringen. Ein nicht außerhalb seiner selbst auflösbares Rätsel.

Der Text war von 2000 bis 2016 die Studieninformation der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle für das Fachgebiet Malerei

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